Guten Tag.
Ich heiße Annegret und bin eine Italienerin. Na ja, das stimmt nicht ganz!
Wie Sie bestimmt aus meinem flüssigem Deutsch und aus meinem typisch
deutschen Namen entnehmen können, bin ich nur zur Hälfte Italienisch, meine
Mutter ist nämlich Deutsche. Italiener mit denen ich bekannt werde, halten
mich immer für eine Ausländerin wegen meinen «nordischen» Gesichtszügen und
ab und zu schleicht sich auch die Spur eines Akzentes in mein sonst
einwandfreies Italienisch ein. Trotzdem fühle ich mich fast als eine ganz
echte Italienerin, so dass ich denke, ich kann Ihnen als Insider einen
treuen Bericht über die junge Italienische Frau bringen. Zur gleichen Zeit
bin ich aber Deutsch genug, dass ich ihr gegenüber kritisch sein kann.
Ich habe in Rom die Universität besucht, wo es fast nur Mädchen gab; ich
arbeite zur Zeit in einer Fakultät. Ich kann Ihnen versichern, dass es da
die verschiedensten jungen Frauen aus den verschiedensten Teilen Italiens
gibt.
Wenn ich aber die typische junge italienische Frau beschreiben sollte,
würde das bestimmt in das Bild passen, das Sie von einer Italienerin haben.
Die meisten Italienerinnen sind hübsch, oder so gepflegt das sie hübsch
aussehen. Sie unterscheiden sich dann in zwei große Gruppen: die einen sind
sehr geschmackvoll und modisch gekleidet, die anderen sind nur
modisch angezogen.
Die meisten Italienerinnen sind sehr freundlich und sympathisch. Man kann
wunderbar mit ihnen reden und diskutieren. Man kann ihnen auch leicht mal
etwas von Jesus erzählen und sie hören aufmerksam oder wenigstens höflich
zu. Das ist dann aber leider oft auch schon alles.
Es gibt einen großen Unterschied zwischen Mädchen, die direkt aus Rom
kommen und Mädchen die in kleinen Dörfern oder auf dem Land leben, obwohl die
Dörfer oft nur wenige Kilometer von Rom entfernt sind.
Frauen, die nämlich aus einem Dorf kommen, leben im Bewusstsein dass sie zu
einer kleinen Gesellschaft gehören, deren Traditionen sie nicht brechen
sollten. Diese Frauen sind oft viel religiöser als ihre «städtischen»
Altersgenossen, die sehr oft überhaupt nicht an einen Gott glauben. Ich
habe auch bemerkt, dass je intelligenter, fortschrittlicher und
zielstrebiger die Studentinnen sind desto weniger glauben sie an Gott. Es
sieht fast so aus, als ob Gott ein Aberglaube ist, der mit Rationalität
nichts zu tun hat. Um so erstaunter sind viele meiner Kolleginnen, wenn sie
merken, dass ich es ernst meine mit Gott, zumal ich sehr gute Noten habe
und genau weiß, dass das nicht allein mein Verdienst ist, und ihnen das
auch sage.
Italienische Mädchen wirken auf Ausländer oft als sehr oberflächlich und
dumm. Das ist nicht wahr. Die meisten meiner Freundinnen sind sogar sehr
intelligent und fleißig und das nicht nur, weil sie eine Universität
besuchen — in Italien kann jeder die Uni besuchen —, sondern weil sie keine
andere Wahl haben.
Italien ist zwar kein besonders armes Land, aber um eine Familie zu
ernähren (und ich betone ernähren), braucht es heutzutage meistens beide
Eheleute. Aber eine anständige Arbeit zu finden, ist schwer. Selbst mit
einem Uni-Abschluss hat man oft überhaupt keine Aussicht auf eine Arbeit.
Ich erwähnte bereits das in Italien jeder auf die Uni kann. Ich möchte hier
nicht diskutieren, ob das positiv oder negativ ist und ob das ganze
Lehrsystem stimmt, obwohl irgendwas daran falsch sein muß, denn fast alle
Mädchen haben Abitur (aber da gibt es auch wieder einen großen Unterschied
zwischen den Großstädten und dem Land und vor allem Nord und Süditalien)
und besuchen eine Uni, aber nicht einmal die Hälfte bis zum Uni-Abschluss
kommt, viele geben bereits nach einem Jahr auf und begnügen sich mit einer
bescheidenen Stelle und einem Hungerlohn. In Italien ist es ein
Ausnahmefall, wenn ein Mädchen nicht von ihren Arbeitgebern
ausgenützt wird, zumal fast alle schwarz arbeiten müssen.
Unmoral gibt es leider im ganzen Westen, aber manchmal hab ich den
Eindruck, dass es in Italien nicht ganz so extrem ist wie z.B. in
Deutschland oder England.
Wie ich bereits sagte, glauben viele Mädchen überhaupt gar nicht an Gott
und wenn dann, nur weil «es sich eben so gehört». Trotzdem scheint es so,
als ob die Tugenden und Werte dank der religiösen Tradition nicht ganz so
verworfen wurden.
Als ich studierte, hatten fast alle meine Kolleginnen einen Freund und
viele schon seit bis zu 7 Jahren (wenn man bedenkt das sie alle maximal 22
waren, ist das beachtlich). Sie schliefen auch mit ihren Freunden. Oft hab
ich Sätze wie «Es geht ja nicht anders, oder?» gehört.
Die meisten von ihnen werden irgendwann ihren Freund heiraten, und nur mit
ihm geschlafen haben, das tröstet mich irgendwie.
Verstehen Sie mich nicht falsch: ich finde es keineswegs OK vor der Ehe mit
jemandem zu schlafen und das wissen auch alle in meiner Uni und sprechen
mich oft darauf an, aber irgendwie hab ich den Eindruck das fast alle im
Grunde ihres Herzens ganz genau wissen, dass sie sündigen.
Als ich noch studierte und noch nicht verheiratet war, war es mir nie
passiert das mich irgend jemand wegen meiner Entscheidung keusch vor der
Ehe zu bleiben verhöhnt hat. Im Gegenteil oft erntete ich anerkennende
Blicke und viele haben mir schon gesagt: «Ich bewundere dich, dass du und
dein Freund die Kraft habt das durchzuhalten. Und dass du mit solcher Kraft
und Überzeugung darüber sprichst». Das war dann natürlich immer der beste
Ausgangspunkt, um zu erläutern das die Kraft nicht von uns kommt und um
ihnen von Jesus zu erzählen.
Italienerinnen sind sehr stark an ihre Familien gebunden. Sie ziehen
meistens nicht bei ihren Eltern vor der Heirat aus. Das hat aber nicht so
viel mit freiwilligem Gebundensein zu tun als mit der Tatsache, dass
einfach die finanziellen Mittel fehlen, um alleine zu leben.
Diese Tatsache, dass sie von ihren Eltern so lange finanziell abhängig
sind, gibt den Eltern eine gewisse Autorität über sie.
Die Mütter mischen sich sehr in das Leben der Töchter ein, was manchmal
negativ, manchmal auch positiv ist, und die Väter engen sie oft sehr ein.
Jetzt fragen Sie sich bestimmt, wie man eine junge Italienerin mit dem
Evangelium erreichen kann, wo sie doch so oft einen oberflächlichen oder
gar keinen Glauben haben.
Die Antwort ist ganz einfach. Wie alle Frauen in der ganzen Welt sind
Italienerinnen sehr neugierig! Wenn ich also so lebe, dass ich ein Zeugnis
bin und ab und zu mal irgendeine Bemerkung über den Glauben fallen lasse,
werde ich sicherlich oft genug gefragt, wieso ich so lebe und rede.
Eine gläubige Bekannte von mir geht immer in die Uni zum lernen. Sie nimmt
ihre Bibel mit und legt sie neben sich, während sie für ihre Examen
studiert; sie sagt, es vergeht kaum einmal ein Tag, dass nicht irgendeiner
sie darauf anspricht, denn wer liest schon die Bibel im katholischen
Italien, wo das bis vor einigen Jahrzehnten den Katholiken sogar verboten
wurde! Meine Bekannte kann dann ein Gespräch beginnen.
Es ist gut, wenn die anderen das Gespräch über den Glauben anfangen: dann
fühlen sie sich nicht überrumpelt und ziehen sich nicht so einfach zurück,
denn Unhöflichkeit und wenig Sensibilität hassen Italienerinnen.
Das ist natürlich nicht die Regel. Gott leitet und gibt mir immer neue
Gelegenheiten den anderen von ihm zu erzählen.
Frauen sind in Italien offener für das Evangelium als Männer, die man oft
nur durch ihre Frauen erreichen kann. Es ist mir also eine Aufgabe
und eine Freude, jeden Tag an der Uni so zu leben, dass ich Gott die Ehre
gebe; und auch so, dass mich immer wieder einmal jemand fragt: «Sag mal,
warum tust du das».
► URL: http://italmission.altervista.org/Ital/Junge_Frauen.htm
12-07-2001; Aktualisierung:
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